Das Gaswerk Karlsruhe

und die Werklokomotive O&K 7685/1919

 

von Joachim Diehl

 

Der Einsatz von Rangierlokomotiven in Industriebetrieben und auf Werksgeländen geschieht meist unbemerkt von der Öffentlichkeit. Dennoch sind auch diese oft kleinen unscheinbaren Lokomotiven wichtiger Bestandteil eines zuverlässigen Transportsystems. Dies gilt insbesondere bei der Bereitstellung von Rohstoffen zur Energie-gewinnung. Die Erzeugung von Stadtgas mittels einer eigenen Gaskokerei ist heute nicht nur in Karlsruhe längst Vergangenheit. Die hier zu behandelnde Geschichte der Werklokomotive des Karlsruher Gaswerkes bietet somit neben einem weitgehend unbekannten Teil Karlsruher Verkehrsgeschichte, auch einen Einblick in eine heute in dieser Form nicht mehr praktizierte Form städtischer Energiegewinnung.

Am 30.11.1846 wurde in Karlsruhe die erste Gasbeleuchtung in Betrieb genommen. Die erste Karlsruher „Gasanstalt“ befand sich in der Kaiserallee, im Westen der Stadt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und mehreren privaten Betreibern wurde das Werk 1869 von der Stadt Karlsruhe übernommen. Trotz mehrfacher Erweiterung reichte die zuletzt erreichte Tagesleistung von 20.000 cbm Gas bald nicht mehr aus. 1886 wurde daher in der Oststadt, in unmittelbarer Nähe des Schlosses Gottesaue, ein zweites Gaswerk errichtet.

Bei der trockenen Destillation von Steinkohle wird die Kohle in Retortenöfen stark erhitzt aber nicht verbrannt. Durch diesen Schwelvorgang entweichen die gasförmigen Bestandteile. Zurück bleibt als Heizmaterial geeigneter Koks. Das Gas wird zur weiteren Verwendung abgekühlt und gereinigt. Dabei fallen ebenfalls verwertbare Bestandteile wie Teer, Ammoniak, Benzol und Schlacke in größeren Mengen an. Zur Abwicklung des Betriebes waren somit umfangreiche und zuverlässige Transporteinrichtungen Bedingung.

Wie das alte Werk, besaß auch das neue Gaswerk Ost ein Verbindungsgleis zur Badischen Staatsbahn und eigene innerbetriebliche Gleisanlagen. Die Kohle wurde von der Staatsbahn angeliefert und auf hochliegenden Kohlegleisen entladen. Neben den normalspurigen Anlagen gab es auch schmalspurige Gleisanlagen. Der Verschub und das Entladen der Waggons, wie auch das Beschicken der Retortenöfen, erfolgte zeit- und personalaufwendig von Hand.

1907 wurde auf dem Gelände des Gaswerks vom Verein Deutscher Gas- und Wasserfachleute eine Lehr- und Versuchsgasanstalt gebaut. In diesem Miniatur-Gaswerk wurden nahezu sämtliche Kohlen Europas entgast und die anfallenden Produkte wissenschaftlich untersucht und damit entscheidende Grundlagen für die Deutsche Gaswirtschaft gelegt.

Der stetig steigende Gasbedarf erforderte laufende Erweiterungen des Gaswerks. Die Tagesleistung wurde von anfänglich 9.000 cbm auf 40.000 cbm erhöht und zusätzlich eine Wassergasanstalt mit einer zusätzlichen Tagesleistung von 18.000 cbm erstellt. Zusammen mit dem Gaswerk I konnten ohne Reserven ca. 70.000 cbm Gas täglich erzeugt werden.

In den Jahren 1915-1920 wurde das Werk schließlich grundlegend modernisiert und erweitert. Die Maßnahmen entsprachen im Grunde einem totalen Neubau. Die alten Retortenöfen wurden durch zwei Ofenblöcke mit modernen Schrägkammeröfen nach dem Vorbild der Kokereien im Rheinisch-Westfälischen Kohlengebiet ersetzt. Das alte Werk I in der Kaiserallee konnte daraufhin 1917 aufgegeben werden, nur die dortigen Gasbehälter wurden noch längere Zeit als Zwischenspeicher genutzt.

Der Betriebsablauf, bis dahin noch überwiegend von Handarbeit geprägt, wurde durch den Umbau stark mechanisiert. Auch das Gleisnetz wurde entsprechend verändert und erweitert. Die Drehscheiben wurden durch Weichenverbindungen ersetzt. Die hochliegenden Kohlegleise wurden zugunsten eines großen ebenerdigen Kohlelagerplatzes eingeebnet.

Dieser bot Lagerkapazität für maximal 24.000 t Kohle und wurde von einer großen 56 m langen fahrbaren Verladebrücke überspannt. Auch das Kokslager bekam einen fahrbaren Brückenkran. Für die Entleerung der städtischen Straßenbahn entnommen. der Kohlewagen wurde ein Waggonkipper installiert. Die Ofenkammern konnten jetzt mechanisch beschickt werden, ebenso wurde der Koks nun mechanisch gefördert. Parallel zu den Ofenblöcken gab es die sogenannte Horizontalförderbahn. Hier wurden spezielle Schlacken- und Kokswagen von einer Art Motorlore bewegt. Der Antrieb sämtlicher Maschinen erfolgte elektrisch. Der erforderliche Strom wurde vom Städtischen Elektrizitätswerk bzw. der Zentrale

Auf der anderen (Ost-) Seite des Bahndammes der Staatsbahn Karlsruhe–Mannheim entstand eine neue Ammoniakfabrik, eine Schlackensteinfabrik und eine Schlackenbraschenwäsche. Diese erhielten ein eigenes Verladegleis mit Verbindung zum Gaswerk und zur Staatsbahn. Neben den Normalspurgleisen gab es auf dem Gaswerkgelände auch Schmalspurgleise mit Lorenbetrieb. Diese waren auch für den Notfall des Ausfalls der elektrischen Fördereinrichtungen vorgesehen. Die von der Staatsbahn kommenden Güterwagen wurden im Laufe der Jahre größer und schwerer. Die Erhöhung des Wagengewichts auf 20 t erforderte daher den Neubau von zwei Waggonwaagen. Der Verschub mit Muskelkraft war kaum noch zu bewältigen, so daß auch elektrische Seilwinden zum Einsatz kamen.

Das stark angestiegene Transportaufkommen erforderte letztlich die Anschaffung einer eigenen Werklokomotive. Im Mai 1919 lieferte die Firma Orenstein&Koppel - Arthur Koppel in Berlin-Drewitz eine kleine B-gekuppelte Dampflok mit der Fabriknummer 7685. Die Naßdampfmaschine hatte eine Leistung von 110 PS und entsprach einem standardisiertem Typ, der von O&K in gleicher oder ähnlicher Ausführung etliche Jahre angeboten wurde. Die Lok war handgebremst und ohne besondere Zusatzausstattung. Die Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen genehmigte am 28. Juli 1919 die Inbetriebstellung der Lokomotive. Das Heizmaterial Kohle war im Gaswerk im Überfluß vorhanden.

Als Lokschuppen diente zunächst ein Anbau am Materiallager. Später wurde ein separater Lokschuppen errichtet. Ob das Gaswerk zeitweise noch andere Lokomotiven einsetzte, konnte bis jetzt nicht geklärt werden. Auf einem Foto aus den dreißiger Jahren ist ein anderer B- Kuppler, vermutlich von Hanomag zu sehen. Zum Verschub einzelner Wagen wurden auch Straßenzugmaschinen benutzt. Ab Ende der zwanziger Jahre besaß das Gaswerk Zugmaschinen des Typs Hanomag WD.

1927 nahm das Werk einen dritten Ofenblock in Betrieb. Mitte der dreißiger Jahre stieg die Tagesleistung des Gaswerkes auf über 75.000 cbm Gas an. Das Gas konnte in drei Gasbehältern mit insgesamt 87.000 cbm gespeichert werden. Für die Gaserzeugung wurden täglich 200 t Kohle benötigt. Zusammen mit den Wagen für die Abfuhr von Koks und Nebenprodukten erreichten zwischen 20 und 25, in Spitzenzeiten bis zu 70 Güterwaggons täglich das Gaswerk.  Besonderer Hochbetrieb herrschte im Jahre 1923 auf den Gleisanlagen des Gaswerkes, als während der Besetzung des Rheinhafens viele Karlsruher Firmen ihre Kohlelager auf das Gelände des Gaswerkes verlegten.

Der durch die Kohlevergasung entstehende Koks, sowie jährlich ca. 450 t Ammoniak, 250.000 l Benzol und große Mengen Schlacke, Teer und Sulfat wurden weiterverkauft. Die Werklok war für die anfallenden Rangierarbeiten rund um die Uhr im Einsatz. Neben dem Einsatz im Gaswerk selbst, wurde auch das Anschlußgleis zum Lagerplatz des städtischen Tiefbauamtes bedient. Dieses Gleis hatte neben dem Anschluß zum Gaswerk auch eine Verbindung zur Städtischen Straßenbahn und zur Reichsbahn. Auch auf dem Anschlußgleis des Schlachthofes dürfte die Lok ausgeholfen haben.

Ende der 30er Jahre war der Gasbedarf weiter angestiegen. Das Karlsruher Gaswerk versorgte nun auch umliegende Gemeinden wie Durlach, Ettlingen und Malsch. Das Gasrohrnetz erreichte eine Länge von 268 km, die sich bis zum Ende der eigenen Gaserzeugung auf mehr als 400 km ausdehnte.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gaswerk von 68 Bomben, Luftminen und Brandbomben schwer getroffen. Zwei von drei Ofenblöcken (I und III) wurden zerstört. Die Gasversorgung war jedoch nie ganz unterbrochen, wenn sie auch teilweise nur noch stundenweise möglich war. 

Nach Kriegsende konnte das Karlsruher Gaswerk als einziges der gesamten amerikanischen Besatzungszone weiterarbeiten. 1946 begann mit Mitteln des Marshall-Planes der Wiederaufbau der zerstörten Anlagen. 1948 war er so weit fortgeschritten, daß wieder ein durchgängiger geregelter Betrieb möglich war. Die O&K-Werklok überstand die Kriegseinwirkungen unbeschadet. Es zeigten sich allerdings Folgen mangelhafter Unterhaltung während der Kriegszeit. Die Lok erhielt 1947 in der Maschinenfabrik Esslingen eine neue kupferne Feuerbüchse. Es war nach 1926 bereits der zweite Austausch der Feuerbüchse, was auch auf einen hohen Schwefelanteil der verfeuerten Kokereikohle schließen läßt.

1950 konnte der Ofenblock III wieder in Betrieb genommen werden. Bereits mit zwei Ofenblöcken wurde die tägliche Gaserzeugung der Vorkriegszeit überschritten. 250 t Kohle von Ruhr und Saar wurden jetzt täglich verbraucht. Ein Drittel des anfallenden Kokses wurde für die Unterfeuerung der Entgasungsöfen und sonstigen Eigenbedarf selbst verbraucht. Der Rest wurde, ebenso wie täglich 2.000 l hochwertiges Benzol, 8 t Rohteer und große Mengen Schlacke, verkauft und teilweise auf der Schiene abtransportiert.

Der harte tägliche Einsatz erforderte 1953 erneut größere Reparaturen an der werkeigenen Dampflok. Diese wurden von der ganz in der Nähe befindlichen Lokomotivabteilung des Eisenbahn-Ausbesserungswerkes in Karlsruhe-Durlach durchgeführt. 1955 lieferte Orenstein&Koppel zwei neue Dampfzylinder, wenig später wurden im Ausbesserungswerk Offenburg sämtliche Lager überholt. Ein Hinweis darauf, daß beim Rangieren der z.T. schweren Kohlewagen nicht nur mit der Handbremse, sondern der Einfachheit halber auch mit Gegendampf gebremst wurde. Dabei werden Ruß und Dreck aus der Rauchkammer in die Zylinder gesogen und zerstören langfristig die Zylinder.

Innerhalb des Gaswerkes gab es Bereiche, wo Funkenflug katastrophale Folgen auslösen konnte. Über dem gesamten Gelände lag ständig ein penetranter Gasgeruch. Daher erhielt die Lok einen Funkenfängeraufsatz mit vom Führerhaus aus zu betätigendem Klappdeckel auf dem Schornstein.

Während Reparaturarbeiten und anderen Ausfällen der werkeigenen Lok, versahen Lokomotiven des Bahnbetriebswerkes Karlsruhe Rbf den Rangierdienst im Gaswerk. Meist handelte es sich dabei um Loks der Baureihe 922 (bad. Xb), die auch im angrenzenden Gleisbauhof der Bundesbahn zu sehen waren. Diese Maschinen bekamen für den Einsatz im Gaswerk ebenfalls einen zusätzlichen Funkenfängeraufsatz. Dieser Funkenfänger, inzwischen als „Bauart Karlsruhe“ bezeichnet, bewährte sich gut. In Verbindung mit besonders ausgeführten Aschkästen bedienten die Karlsruher 92er damit auch den Mannheimer Petroleumhafen. Viele Loks behielten den Funkenfänger auch im normalen Einsatz bis zur Ausmusterung der Baureihe.

1955 nahm die Gaskokerei den neugebauten Ofenblock I wieder in Betrieb. Dieser wurde nun nicht mehr mühsam mit Koks, sondern mit Gas aus einer neuen Zentralgeneratorenanlage befeuert. Dadurch entfiel die separate Koksbeschickung der einzelnen Ofenkammern und vor allem das mühsame Entschlacken der Ofenbefeuerung.

Der Gasverbrauch stieg in den Nachkriegsjahren weiter rapide an. 1958 erreichte das Karlsruher Gaswerk seinen größten Ausbau. Mit dem neuen hochmodernen Ofenblock IV besaß das Gaswerk Karlsruhe nun eine der modernsten derartigen Anlagen in Europa. Mehr als 160.000 t Kohle wurden nun jährlich vergast. Die größte Tageserzeugungsmenge betrug 250.000 cbm Gas. Dazu mußten pro Tag 550 t Kohle vergast werden, was nebst anderen Nebenprodukten ca. 420 t Koks ergab. Zur Erhöhung der Gasspeichermenge wurde ein alles überragender Gasbehälter mit 130.000 cbm Fassungsvermögen errichtet. Dieser diente auch später, noch viele Jahre nach Stillegung und Abriß der Gaskokerei, als Zwischenspeicher für Erdgas. Weithin sichtbar, vor allem von  Eisenbahn und Autobahn, galt er bis zu seinem Abriß im Jahre 1990 als heimliches Wahrzeichen Karlsruhes.

Am 19.7.1958 wurde die Werklok des Gaswerkes durch das Maschinenamt der Bundesbahndirektion Karlsruhe, unter der Betriebsnummer 145, für das Befahren von Bundesbahngleisen des Güterbahnhofes Karlsruhe Hbf, Abhol- und Abstellgleise für beladene und leere Wagen, sowie die Schlachthofgleise zugelassen. Inwieweit ein regelmäßiger Einsatz der Lok auch im angrenzenden Schlachthofbereich stattgefunden hat, konnte noch nicht geklärt werden. Vom 14.9. bis 18.12.1961 weilte die Lok zur letzten L3 Hauptuntersuchung im Bundesbahn-Ausbesserungswerk Offenburg. Dabei wurde die bisherige Petroleumbeleuchtung durch elektrische DB-Einheitslaternen ersetzt und eine Lichtmaschine auf dem Umlauf montiert. Die Stangenpuffer mußten Hülsenpuffer weichen.

Trotz der inzwischen modernen Technik begann sich 1963 das Ende der stadteigenen Gaserzeugung und damit auch des Werklokeinsatzes abzuzeichnen.  Am Karlsruher Rheinhafen waren zwei Großraffinerien entstanden, bei denen große Mengen an sogenannten Raffineriegas anfielen. Dieses besitzt einen höheren Heizwert als Stadtgas. Im späteren Endausbau sollte der tägliche Gasausstoß beider Raffinerien
1 Million cbm Gas betragen. Der durchschnittliche tägliche Bedarf Karlsruhes lag damals dagegen bei nur ca. 250.000 cbm. Am 20.12.1963 strömte das erste Raffineriegas in das Karlsruher Gasnetz. Zunächst wurden 20 bis 30 Prozent des Bedarfs aus Raffineriegas gedeckt. 1964 steigerte sich der Anteil auf 60 %. Bereits ein Jahr später sollte mit der eigenen Gaserzeugung Schluß sein.

Am 30.7.1965 erfolgte der letzte Ofenabstich der Gaskokerei. In Anwesenheit der gesamten Belegschaft und zahlreicher Ehrengäste wurde die letzte Kammer des bis dahin noch in Betrieb befindlichen Ofenblocks entleert.  Als um 16.55 Uhr der feurig glühende Koks aus der Ofenkammer rutschte und in einer riesigen Dampfwolke unter dem Wasserbad abgelöscht wurde, gingen 120 Jahre Geschichte der klassischen Gaserzeugung in Karlsruhe zu Ende. Die Ofenkammern, in denen vor kurzem noch 1.200 Co herrschten blieben nun kalt. Der stete Gasgeruch und die  Rauch- und Dreckwolken über der Karlsruher Oststadt waren nun Vergangenheit.

Das vor allem des Nachts beindruckende Schauspiel des Ablöschens des glühenden Kokses, wenn ein unheimlicher feuriger Schein die Wolken erhellte, und die Anlage in gewaltige Dampfwolken hüllte, war vorbei. Auch die einst weithin sichtbare Leuchtschrift „Stadtwerke Gaskokerei“ hoch oben auf dem Kohlebunker des noch relativ neuen Ofenblock IV war endgültig erloschen. Von den noch verbliebenen 150 der zuletzt 220 Mitarbeiter, konnten noch 30 Arbeiter für einige Zeit auf dem Gelände beschäftigt werden. Die Kohlevorräte waren größtenteils aufgebraucht. Nach Verkauf und Abfuhr des restlichen Kokses war auch der Einsatz der Werklokomotive beendet. Das genaue Abstelldatum ist nicht bekannt. Die Kesselfrist hätte einen Einsatz noch bis zum 18.12.1965 zugelassen.

Nach Angaben der Stadtwerke waren seit Bestehen der Karlsruher Gaswerke insgesamt 4,3 Mio.t Kohlen entgast worden. Dadurch wurden 1.700 Mio.cbm Gas, 3,4 Mio.t Koks,  160.000 t Teer,  21.000 t Benzol und 12.000 t Sulfat erzeugt.

Im Oktober 1965 begann der Abriß des Gaswerkes. Nur wenige Gebäude blieben zunächst noch für andere Nutzungen erhalten. Das freiwerdende Gelände wurde von anderen Zweigen der Stadtwerke und den Verkehrsbetrieben genutzt. Noch heute befindet sich die Netzüberwachung der 1972 auf Erdgas umgestellten Gasversorgung auf dem ehemaligen Gaswerksgelände. Alle anderen Gebäude sind inzwischen abgerissen. Der ehemalige Standort des Gaswerks ist heute nicht mehr zu erkennen.

Mit dem Ende der Gaskokerei wurde die Werklokomotive glücklicherweise nicht verschrottet, sondern im ehemaligen Materiallager des Gaswerkes abgestellt. Es bestanden Planungen, in Karlsruhe ein Verkehrs- und Technikmuseum einzurichten. Bereits von 1923 bis zum Kriegsende besaß Karlsruhe mit den damaligen technischen Sammlungen eines der ersten deutschen technischen Museen. Auch andere alte Fahrzeuge wie die letzten erhaltenen Lokomotiven der meterspurigen Albtalbahn, die Mallet 7s und die
Ellok 2, die 99 7203 sowie diverse Kraftfahrzeuge wurden in dem Lagerschuppen des ehemaligen Gaswerks untergestellt.

Standort des neuen Museums, inzwischen als technisches Landesmuseum vorgesehen, sollte das Gelände des alten ehemaligen Karlsruher Hauptbahnhofes in der Kriegsstraße werden. Die über ganz Karlsruhe und Umgebung verteilten künftigen Museumsexponate  stellten eine einmalige Sammlung dar, die von ihrem Umfang her in Europa, vielleicht sogar weltweit als einzigartig galt. Dennoch wurde man sich nicht einig. 1979 mußte der geplante Museumsstandort zugunsten eines Theaterneubaues aufgegeben werden. Ein Standortstreit um das geplante technische Landesmuseum entbrannte, ohne das sich eine Lösung abzeichnete. Schließlich wurden Teile der z.T. in Privatbesitz befindlichen Sammlung aufgelöst.

Auch auf dem ehemaligen Gaswerkgelände wurden die ersten dort hinterstellten Exponate abgezogen, da der Lagerschuppen abgerissen werden sollte. Die Zukunft der dort aufbewahrten Lokomotiven war zunächst ungewiß. Die E-Lok der Albtalbahn wurde zunächst in Ettlingen, später am Albtalbahnhof in Karlsruhe als Denkmal aufgestellt. Die 99 7203 ging als Leihgabe der AVG zunächst an das Eisenbahnmuseum Viernheim; heute fährt sie für die Ulmer Eisenbahnfreunde zwischen Amstetten und Oppingen. Die Mallett 7s der AVG landete 1981 sogar als Spielobjekt im Rheinstrandbad Rappenwörth. Inzwischen konnte sie vom Deutschen Eisenbahnverein in Bruchhausen-Vilsen erworben werden.

Durch die ersten nach vielen Jahren wieder in der Öffentlichkeit aufgetauchten Lokomotiven wurde 1979 auch ein ursprünglich aus Karlsruhe stammendes Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft Historische Eisenbahn e.V.“ (AHE) auf die Reste der Sammlung auf dem ehemaligen Gaswerkgelände aufmerksam. Er fand dort neben der AVG-Mallet auch die in Eisenbahnfreundekreisen weithin unbekannte O&K-Lok des Gaswerks vor. Die AHE betrieb in Niedersachsen, südlich von Hildesheim die Museumsbahn „Almetalbahn“ und suchte eine kleine Reservedampflok. Eine Anfrage ergab, daß die Lok auch überregional zum Verkauf stand, da die örtlichen Eisenbahnvereine kein Interesse zeigten.

Am 2. April 1980 trat die kleine O&K auf einem Straßentieflader ihre bislang weiteste Reise zum Museumsbahnhof Almstedt-Segeste an. Zunächst nur als Ausstellungsstück verwandt, wurde die Lok später für eine betriebsfähige Aufarbeitung zerlegt. Dabei zeigte sich, daß die Lok zum Ende des Gaswerkbetriebes sehr auf Verschleiß gefahren worden war und insbesondere der Kessel umfangreichere Arbeiten erforderte.

Als 1991 der Museumsbahnbetrieb der Almetalbahn aufgrund einer notwendigen Streckensanierung eingestellt werden mußte, war an eine Finanzierung der betriebsfähigen Aufarbeitung nicht mehr zu denken. Die Einzelteile der Lok rosteten über das gesamte Gelände verteilt vor sich hin. Der Wegfall der regelmäßigen Fahrgeldeinnahmen und die anstehenden Arbeiten brachten den Verein in weitere finanzielle Schwierigkeiten, so daß man sich 1994 entschloß, die Lok in Teilen ins Ausland zu verkaufen. Um dies zu verhindern, wurde sie von dem Vereinsmitglied, der die Lok dem Verein vermittelt hatte erworben und unter schwierigen Bedingungen mühsam wieder zusammengebaut und ausstellungsfähig äußerlich hergerichtet.

Einige Jahre wurde die Lok wieder als Ausstellungsobjekt genutzt und Kontakte für eine betriebsfähige Ausstellung geknüpft. Das Interesse der übrigen Vereinsmitglieder an Dampfloks ließ jedoch weiter nach. 2002 sollte der Standplatz im Lokschuppen zugunsten von Dieselloks aufgegeben werden. Um die Lok langfristig zu sichern, wurde vom Eigentümer schließlich ein neuer Standort in der Nähe des ehemaligen Einsatzortes gesucht. Das Süddeutsche Eisenbahnmuseum Heilbronn konnte die Lok schließlich Anfang 2002 erwerben.

Im Heilbronner Museum steht die kleine Lok in reizvollem Kontrast zu den großen „hochrädrigen“ Schnellzugloks und schwersten Güterzugmaschinen. Wenn unsere kleine Lok auch niemals Luxuszüge bespannte oder andere bedeutende Züge gezogen hat, so soll diese Dokumentation doch aufzeigen, daß auch eine so unscheinbare Lok einmal eine wichtige Aufgabe im großen Räderwerk der Eisenbahn wahrgenommen hat!

 

 

Süddeutsches Eisenbahnmuseum Heilbronn