Preußische
Güterzug-Tenderlokomotive T9.3 „7318 SAARBRÜCKEN“
Um den gestiegenen
Anforderungen im Verschub- und Streckendienst gerecht zu werden, befaßte
man sich
um die Jahrhundertwende mit der Neukonstruktion einer dreifach gekuppelten
Tenderlokomotive. Nach
neuestem technischen Standard entstand eine 1´C-Naßdampf-Tenderlok mit
führendem Krauss-Helmholtz-
Gestell für bessere Laufeigenschaften und Heusinger-Steuerung. Zunächst
hatten die Lokomotiven
Flachschieber und bis zu den Lieferserien 1905/06 noch doppelschienige
Kreuzkopfführung. Einige Lok
werden bereits ab Werk mit Kolbenschiebern geliefert. Weitere
Bauartunterschiede der Lieferserien sind die
Anordnung der Fenster und Lüfter. Die lange Beschaffung, die hohe
Stückzahl und jahrzehntelanger
Betriebsdienst im In- und Ausland ließen ungezählte Varianten der T9.3
entstehen, für die ursprünglich das
Musterblatt III-4i erstellt wurde. Die T9.3 war den älteren
T9-Ausführungen deutlich überlegen und bewährte
sich derart gut, daß allein die Preußische Staatsbahn zwischen 1901 und
1914 für alle 21 Direktionen
insgesamt 2060 Exemplare in Dienst stellte. Ebenfalls ab 1901 nahmen auch
die in der Beschaffung eng an
die KPEV angelehnten Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen weitere 133 Lok
dieser Bauart in Betrieb, die
hier zunächst D31, ab 1906 dann als T8 und erst ab 1912 auch als T9
bezeichnet wurden. Auch die Kgl.
Württembergische Staatsbahn beschafften in etwas abgewandelter Form zehn
T9 und weitere sechs Lok
gingen werksneu an Privatbahnen. Die Folge des ersten Weltkriegs war eine
Bestandsverringerung von etwa
einem Viertel. Insgesamt 519 Lok kamen durch Kriegseinsätze,
Gebietsverluste oder
Waffenstillstandsabgaben in Belgien, Frankreich, Polen, Litauen, Lettland,
Jugoslawien und Rumänien. Die
etwa 1500 in Deutschland verbliebenen T9.3 wurden bei der Deutschen
Reichsbahn zur Baureihe 91.3-17
umgezeichnet. Während der Reichsbahnzeit schrumpfte der Bestand durch
Ausmusterungen und Verkäufe
bis Kriegbeginn auf etwa 750 Lok und wuchs wegen der durch Kampfhandlungen
rückeroberten Gebiete und
Betriebsmittel nochmals auf über 900 Lok an. Gerade auf den östlichen
Kriegschauplätzen war die Baureihe
91.3-17 sehr stark präsent. Nach Kriegsende verblieben im Gebiet der
späteren Deutschen Bundesbahn 350
Lok, von denen die sogenannten Mietlok aus Belgien und Frankreich wieder
zurückgegeben wurden. Von
nurmehr 300 Lok im Jahre 1950 halbierte sich der Bestand bis Jahresende
1953, sank vier Jahre später auf
50 Lok und bis zum Jahresende 1958 war keine T9.3 mehr bei der Deutschen
Bundesbahn im
Erhaltungsbestand. Unter Ausnutzung der Untersuchungsfristen wurden die
letzten zwanzig Lok noch
eingesetzt und zwischen 1960 und 1962 abgestellt. Als allerletzte DB-T9.3
war 91 1595 beim Bw Deutzerfeld
bis Januar 1964 im Betrieb. Viele Lok liefen aber noch über Jahre bei
Privat- und Werkbahnen. In der
sowjetischen Besatzungszone verblieben nach Kriegsende etwa 230 Lok. Bis
1963 waren nur etwa 30 Lok
abgestellt worden. Dann sank der Bestand vier Jahre lang recht schnell und
die letzten Lok schieden 1970
aus dem Bestand. Auch hier blieben noch einige als Werk- oder Heizlok
erhalten. So vielfältig wie die
Einsatzgeschichte ist auch die Verteilung der erhaltenen, leider momentan
meist desolaten Lok. In
Deutschland existieren zur Zeit vier T9.3, je eine aus DB- und
DR-Beständen und je eine aus Polen und
Rumänien für museale Zwecke zurückgeholte Lok. Hinzu kommt noch eine
weitere Lok in Rumänien, eine in
Finnland, zwei in Rußland und fünf in Polen.
Das
Bw Heilbronn erhielt erstmals im August 1924 Lok der Gattung T9.3
zugeteilt. Für drei Jahrzehnte hielt
sich ständig ein Bestand von neun bis vierzehn Lok, die hauptsächlich im
Rangier- und Übergabedienst
Verwendung fanden. Ostabgaben während der Kriegszeit verringerten den
Bestand kurzfristig. Ab 1945 sah
man in Heilbronn auch die aus der preußischen T 9.3 abgeleitete
württembergische T 9 (91.20). Die ab
Februar 1955 in Heilbronn stationierten pr. T12 verdrängten die letzten T
9.3 bis zum April desselben Jahres.
Die T9.3 „7318
Saarbrücken“ wurde 1903 von Henschel in Cassel mit der Fabriknummer 6358
ausgeliefert.
Zunächst trug sie die Betriebsnummer „1968“ der KED St.Johann-Saarbrücken.
Die Umzeichnung erfolgte
1906. Auf die Kriegserklärung Rumäniens an Österreich-Ungarn im August
1916 reagierte Deutschland als
Bündnispartner ebenfalls mit einer Kriegserklärung an das Königreich
Rumänien. Innerhalb weniger Wochen
war die Bedrohung gebannt. Zur Stabilisierung der Lage wurde auch das
Eisenbahnnetz ertüchtigt und
organisatorisch die Militäreisenbahndirektion 9 am 29.11.1916 in Bukarest
eingerichtet. Sie unterteilte sich
maschinentechnisch in fünf Maschinenämter mit insgesamt 14
Bahnbetriebswerken. Unklar ist, wann unsere
T9.3 zur MED 9 kam. Nach Kriegsende verblieben 23 Lok in Rumänien und
kamen bemerkenswerterweise
unter ihrer deutschen Betriebsnummer zur Rumänischen Staatsbahn (CFR).
Zufällig entstand im Dezember
1941 ein Betriebsbild unserer „7318“ in Bukarest beim rangieren. Nach 1945
kamen die CFR-T9.3 bald in
untergeornete Dienste oder wurden an Werkbahnen verkauft.
Nachdem sie zuletzt im „Atelierele de zona
Brasov“ als Rangierlok gedient hatte, verkauften die CFR die Lok 1966 an
das Werk „C. S. Otelul Rosu“.
Ein
Lokhistoriker entdeckte 1996 im Gelände des Stahlwerks „Roter Stahl“ im
siebenbürgischen Ferdinandsberg
nahe Schäßburg (Caransebes) die „7318“ abgestellt. Die Lok wurde von einem
deutschen Eisenbahnfreund
erworben und zum Ausbesserungswerk (AW) Schäßburg transportiert. Das SEH
konnte 2003 die Lok mit
unverändertem Standort Schäßburg erwerben und ließ sie im AW für den
Transport zerlegen und auf
Güterwagen verladen. Im Oktober 2003 traf die Lok in Einzelteilen auf
Güterwagen in Heilbronn ein. Zu
unserem größten Entsetzen mußten wir feststellen, daß sämtliche Armaturen,
das komplette Gestänge, alle
Rohrleitungen und ein Teil der Federpakete fehlten. Rückfragen in Rumänien
brachten kein Ergebnis, alle
Teile gelten als unbekannt verschollen. Der Wiederbeschaffungswert aller
Fehlteile geht deutlich in den
sechsstelligen Bereich. Damit war zunächst das ehrgeizige Projekt einer
betriebsfähigen Aufarbeitung für
das SEH-Tenderlokprojekt vom Tisch. Das Ärgernis konnte durch den kurz
darauf möglich gewordenen
Ankauf der pr. T9.1 gemildert werden. (JB)
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